Wieder unter deutscher Regierungsverantwortung

Als die Bundesrepublik Deutschland errichtet worden war, stand man wiederum vor einem Neubeginn.

Gestützt auf die Kaufkraft der zuvor stabilisierten Deutschen Mark konnten sich die Betriebe frei entwickeln. Rohstoffe erhielten sie in großer Menge von der deutschen Hochsee- und Kutterfischerei. Einfuhren waren nur außerhalb der Saison der eigenen Fischerei nötig. Die Bewirtschaftung ihrer Erzeugnisse endete im August 1949. Sehr bald schlug der Mangel in einen Überschuss um. Man hielt eine Marktordnung für die Fischwirtschaft für erforderlich. Das Fischgesetz ging durch die parlamentarischen Instanzen. Der Fachverband legte dazu eine Denkschrift vor. Sein Gutachter wurde in allen Instanzen gehört. Sein Vorsitzender, nunmehr Heinrich Ihde, ergriff noch während der Beratungen die Initiative zur Errichtung des Bundesmarktverbandes der Fischwirtschaft e.V. (Gründung: 20. Mai 1954), der vom Bundesernährungsminister vor Erlass wichtiger Vorschriften zu hören war. Seine verdienstvollen Vorsitzenden, Fornell, Freyberg und Rehder waren ausgezeichnete Kenner auch fischindustrieller Interessen. Dr. Karl Seumenicht war von Beginn an Geschäftsführer bis zum Jahre 1974.

Auf der Basis des Fischgesetzes wurden die "Deutsche Fischwerbung e.V." und der "Förderungsdienst für den Fischabsatz GmbH" auch unter Beteiligung des Fachverbandes gegründet. Er wirkte auch bei Beratungen im Seefisch-Ausgleichsstock und bei allen weiteren Einrichtungen mit, die dem Gesetz folgten, z.B. Marktbeschickungskommission, Kreditschutz und dergleichen. Er bemühte sich mit Erfolg um die vertraglichen Lieferbedingungen mit den nach dem Kartellgesetz zugelassenen Absatzeinrichtungen der Hochseefischerei für Frisch- und Frostfisch. Die Begrenzung des Auktionspreisgefälles hatte ihre Vorteile für eine kontinuierliche Beschäftigung der Betriebe. Die Gefahr der Bildung unerwünschter Bestände wurde vermindert. An den Anhörungsbesprechungen des Bundeskartellamtes nahm der Fachverband teil.
Am 21. Juni 1952 änderte er seinen Namen in

Bundesverband der deutschen Fischindustrie e. V.

Der im Jahre 1956 angenommene Antrag der weiblichen Mitglieder des Deutschen Bundestages, das Lebensmittelrecht neu zu ordnen, hatte lang dauernde erhebliche Anstrengungen zur Folge. Sie sollten bis Ende 1977 anhalten, als die Bestimmungen über Zusatzstoffe im Rahmen des neugeordneten Lebensmittelrechtes in Kraft traten. Die bereits bestehende Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, in erster Linie mit der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, wurde in einem eigenen "Wissenschaftlich-Technischen Ausschuss" intensiviert. Über den Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde wurden weitere Wissenschaftler angesprochen und für die Mitarbeit gewonnen. Im einzelnen handelte es sich um die Mitwirkung bei den verschiedenen Reformen. Dabei war die Auslegung der neuen Begriffe "fremder Stoffe" im ersten Änderungsgesetz und "Zusatzstoffe" in der Neufassung von erheblicher Bedeutung für die Industrie, sie mussten zugelassen werden. Vorstellungen wurden bei der Bundesregierung, dem Bundestag, dem Bundesrat und den Bundesländern, begleitet von Sachverständigen besonders zur Zulassung der Konservierungsstoffe Borsäure und Hexamin, erhoben. Es gelang jedoch nur, die Frist für Hexamin um insgesamt 5 Jahre zu verlängern. Die vom Verband und seinen Mitgliedern getragenen Forschungen zur Unbedenklichkeit des Hexamins, um die sich Prof. Dr. Günther Malorny verdient gemacht hat, führten erst 1972 zu seiner Rehabilitierung durch die FAO/WHO, um 10 Jahre zu spät, um die von einem allzu vorsichtigen Gesetzgeber vorgegebene Terminierung zu wahren. Den von den Verboten betroffenen Betrieben wurden Hilfen bei der Umstellung geleistet. Zu den Aufgaben des Verbandes gehörte die Mitwirkung bei der Abfassung von Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches durch eigene Sachverständige, die Teilnahme innerhalb der Regierungsdelegation bei den Verhandlungen des Codex Alimentarius für Fische, die Einführung der Datumskennzeichnung für Fischerzeugnisse sowie die Milderung der Auswirkungen landesgesetzlicher Hygiene-Bestimmungen und zahlreicher anderer Probleme.

Die verkehrsrechtliche Situation für Fische und Fischerzeugnisse wurde bis zum Aufkommen des überbezirklichen Güterkraftverkehrs des Öfteren mit der Bundesbahn behandelt. Ihre Wirtschaftslage bedingte ständige Tarifänderungen, die stets zuvor auch mit dem Bundesverband erörtert wurden. Erst als die Konkurrenz des Güterkraftverkehrs, dessen sich auch die Fischindustrie wegen des Haus/Hausverkehrs zunehmend bediente, zu Defiziten bei der Bahn führte und diese durch die Verkehrsnovelle des Jahres 1961 verpflichtet wurde, ihre Dienste nach kaufmännischen Grundsätzen auszurichten, änderte sich langsam die Lage. Selbst der Leber-Plan (Rückwanderung zur Schiene) änderte daran nichts. Die Eilstückbeförderung endete am 1. Oktober 1968. Der Ausnahmetarif 15 B 1 lief am 31. Dezember 1967 nach mehrfacher Anhebung seiner Sätze aus. Es trat eine Verteuerung der Frachten von 20 bis 25% ein.

Die Reduzierung der Stückgutbahnhöfe um 2/3 auf 1.000 unter gleichzeitigem Aufbau eines Schnellknotenpunktverkehrs war Gegenstand langer Erörterungen, aber nur die gröbsten Unzulänglichkeiten konnten vermieden werden.

Auch der Güterkraftverkehr zog seine Vorzugstarife zurück, die er der Fischwirtschaft zunächst aus Wettbewerbsgründen zugebilligt hatte.

Leider ging damit eine Vergünstigung zu Ende, die der Verband frühzeitig erstritten hatte und jahrelang erhalten konnte.

Den sozialpolitischen Angelegenheiten widmete sich bis zu seinem Tode am 6. Juli 1960 Dr. Rudolf Wittenburg mit ganzer Hingabe. Ihm folgte Dr. Alfred Borgis. Hier war ebenfalls neu zu beginnen. Das Tarifvertragsgesetz von 1949 legte es den Sozialpartnern in die Hände, die Arbeitsbedingungen vertraglich zu regeln. Das Schwergewicht der Tätigkeit lag auf bezirklicher Ebene und dort oft gemeinsam mit anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie.

Dr. Rudolf Wittenburg, wie auch sein Nachfolger zugleich Geschäftsführer der Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft der Ernährungsindustrie in Hamburg/Schleswig-Holstein, hielt Fühlung zu den für sich handelnden Plätzen Bremerhaven, Cuxhaven und Schlutup.

Die Reichstarifordnung von 1937 wurde 1953 durch Manteltarife abgelöst, die wiederholt geändert und ergänzt wurden. Die Lohntarife wurden jährlich ausgehandelt. Fragen der Wochenarbeitszeit, die allmählich auf 40 Stunden reduziert wurde, die Urlaubsregelung und sonstige Anliegen wurden im gleichen Schritt mit Regelungen in anderen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft gelöst. Den Mitgliedern wurde Beistand bei Auseinandersetzungen mit Betriebsräten und Arbeitnehmern, insbesondere im Prozessfall, gewährt.

Seit dem 3. Juni 1954 hatte Karl E. Heitmann (bis 1964) den Vorsitz übernommen. Mit viel Geschick und Tatkraft gelang es ihm, Gewicht und Ansehen des Verbandes zu heben. Seine Mitwirkung in vielen ehrenamtlichen Stellen sicherte der Industrie manchen Erfolg. Das sollte von Vorteil für die Folgezeit sein.